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EU-Führerschein bei isolierter Fahrerlaubnissperre

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Die Verhängung einer isolierten strafgerichtlichen Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis gemäß § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB stellt jedenfalls bei summarischer Prüfung im Rahmen des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV eine entzugsähnliche Maßnahme dar. Eine isolierte Fahrerlaubnissperre gemäß § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB dürfte auch bei Ersterwerbern im Anwendungsbereich von Art. 8 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 91/439/EWG der Entziehung der Fahrerlaubnis gleichzustellen sein.

Im Rahmen der Übergangsregelung des § 65 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 StVG bezüglich der weiteren Anwendung der alten Tilgungsfristen und der alten Verwertungsvorschrift des § 52 Abs. 2 BZRG findet auch die Bestimmung des § 29 Abs. 5 Satz 1 StVG über die sog. Anlaufhemmung Anwendung, ohne dass hiergegen verfassungsrechtliche Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Rückwirkungsverbots bestehen.

Gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV gilt die Berechtigung, Kraftfahrzeuge im Inland zu führen, grundsätzlich nicht für Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis, die ausweislich des Führerscheins zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten. Nach der Systematik des § 28 Abs. 4 FeV ist diese Regelung auch für Ersterwerber anwendbar, denen eine (inländische) Fahrerlaubnis noch nicht entzogen oder bestandskräftig versagt worden ist.

Ob der Einwand, dass nach den unionsrechtlichen Vorgaben und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ein isolierter Wohnsitzverstoß für die Versagung der Anerkennung einer EU-Fahrerlaubnis nicht genüge, sondern kumulativ auch die Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV (Entziehung, Versagung oder Verzicht) vorliegen müssten, zutreffend ist oder nicht, hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg offen gelassen: Bei der im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung kann nicht abschließend geklärt werden, ob § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV europarechtskonform ist. Diese Frage ist jedoch voraussichtlich nicht entscheidungserheblich im Hauptsacheverfahren. Denn es dürfte der Ansicht zu folgen sein, dass die verhängten isolierten Fahrerlaubnissperren einer Entziehung der Fahrerlaubnis im Sinne des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV gleichgestellt werden können und dies mit den unionsrechtlichen Vorgaben in Einklang steht.

Jedenfalls bei summarischer Prüfung spricht vieles für die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach eine isolierte Fahrerlaubnissperre als Maßnahme im Sinne von § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV anzusehen ist, da sie nach ihrer Wirkung und dem Sinn der Regelung gleichartig ist. Sämtlichen in der Vorschrift bezeichneten Maßnahmen (Entziehung, Versagung, Verzicht) ist es gemein, dass hiermit eine verfahrensgesicherte (etwa bestandskräftige oder rechtskräftige) formalisierte Feststellung über die fehlende Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen getroffen wurde. Dies ist jedoch auch bei der strafgerichtlichen Verhängung einer isolierten Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB der Fall. So setzt die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB voraus, dass sich – aus der Begehung der abgeurteilten Straftat – die Nichteignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen ergeben hat. Zwingende Rechtsfolge einer derartigen Entziehung der Fahrerlaubnis ist dann gemäß § 69a Abs. 1 Satz 1 StGB die Verhängung einer Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis durch die Verwaltungsbehörde. Kann einem Verkehrsstraftäter aber mangels Innehabens einer Fahrerlaubnis diese nicht entzogen werden, sieht § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB vor, dass eine isolierte Sperre anzuordnen ist. Aus dem Regelungszusammenhang von § 69 und § 69a StGB ergibt sich, dass auch die Verhängung einer isolierten Sperrfrist die strafgerichtliche Feststellung der Nichteignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen voraussetzt. Die Verhängung einer isolierten Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis gemäß § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB dürfte daher eine im Sinne von § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV „entzugsähnliche Maßnahme“ darstellen. Auch dürfte der bisher ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht zu entnehmen sein, dass es den Mitgliedstaaten untersagt ist, wegen der von der Verkehrsteilnahme eines Fahrungeeigneten ausgehenden Gefahren die Verhängung einer isolierten Sperrfrist der strafgerichtlichen Entziehung einer Fahrerlaubnis gleichzustellen. Eine abschließende Klärung der Frage, ob bei Ersterwerbern eine isolierte Fahrerlaubnissperre gemäß § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB von Art. 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439/EWG (2. Führerscheinrichtlinie) umfasst wird, muss nötigenfalls im Hauptsacheverfahren erfolgen.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 18. November 2010 – 10 S 1837/10


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